Weitblick-Symposium: Bildung und Gesundheit – Hand in Hand für eine starke Zukunft

Kategorien: Veranstaltungen
11. Dezember 2024

Am 19. November 2024 haben wir mit dem Landespräventionsrat Niedersachsen rund 100 Expertinnen und Experten aus Bildung, Gesundheit und Politik in der Landesvertretung Niedersachsen in Berlin zu einer Veranstaltung begrüßt. Im Fokus des Symposiums stand die Frage, wie Schulen zu Orten werden können, an denen neben Wissen auch Gesundheit und Wohlbefinden gefördert werden.

Eröffnung mit wegweisenden Impulsen

Die Projektleiterin von Weitblick, Karen Brünger und Maximilian von Heyden, Vorstand der FINDER Akademie, eröffneten gemeinsam mit Theresa Louis (PKV) und Frederick Groeger-Roth vom Landespräventionsrat Niedersachsen die Veranstaltung. In ihren einleitenden Worten unterstrichen sie die zentrale Bedeutung einer ganzheitlichen Perspektive, die Bildung und Gesundheit miteinander verbindet.

Die anschließenden Vorträge setzten den thematischen Rahmen für den Tag:

Entwicklung und Perspektiven der schulischen Gesundheitsförderung in Deutschland: Praxis, Forschung und Politik

Jan Josupeit (Hochschule für Gesundheit, Bochum) gab in seinem Vortrag einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand und die Entwicklungen der schulischen Gesundheitsförderung. Er beleuchtete dabei wichtige Meilensteine wie die Einführung des §20 SGB V (1989/90), das Präventionsgesetz (2015) und den KMK-Beschluss, der Gesundheitsförderung als integralen Bestandteil von Schulentwicklung definiert.Als aktuelle Herausforderungen identifizierte er besonders psychische und psychosoziale Schwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern sowie Übergewicht und Adipositas. Dabei betonte er, dass die Corona-Pandemie bestehende Probleme verschärft habe. Ein zentrales Problem sieht der Wissenschaftler in der mangelnden Nachhaltigkeit vieler Projekte. Häufig enden diese nach der Projektlaufzeit ohne nachhaltige Implementation, was zu einer “Projektitis” an den Schulen führe. Als Lösungsansatz stellte Josupeit das von ihm mitentwickelte Konzept der “Gesundheitsförderungskultur” vor. Dieses versteht Gesundheitsförderung als kulturelle Praxis und betont die Bedeutung unterschiedlicher Interpretationen von Gesundheit. Der Ansatz setzt auf eine schrittweise Entwicklung von Exploration hin zu Partizipation. In der anschließenden Diskussion wurde besonders die Frage der praktischen Umsetzung theoretischer Konzepte erörtert. Als wichtige Faktoren wurden dabei die Lehrkräfteausbildung und ein verstärkter Dialog zwischen allen Beteiligten identifiziert. Betont wurde dabei die Bedeutung geeigneter Rahmenbedingungen für gesundheitsförderndes Handeln. Der Vortrag machte deutlich, dass erfolgreiche schulische Gesundheitsförderung einen ganzheitlichen Ansatz erfordert, der Theorie und Praxis verbindet und alle Akteure – von Schülern über Lehrkräfte bis hin zu Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern – einbezieht.

Intersektorale Zusammenarbeit für effektive Gesundheitsförderung

Prof.in Dr.in Eike Quilling (Hochschule für Gesundheit, Bochum) beleuchtete in ihrem Vortrag die Herausforderungen und Chancen der Gesundheitsförderung bei Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Ebene. Die Referentin thematisierte den engen Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Gesundheitschancen in Deutschland. Dies zeige sich besonders deutlich bei der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, die sich seit der Pandemie merklich verschlechtert habe. In ihrem Vortrag warnte die Expertin davor, Resilienz als Allheilmittel zu betrachten. Stattdessen plädierte sie für einen ganzheitlichen Ansatz der Gesundheitsförderung, der die Kommune als “Dachsetting” begreift. Dabei sei es wichtig, die Umgebungsbedingungen in den Blick zu nehmen, statt die Verantwortung allein beim Individuum zu verorten. Für eine erfolgreiche Gesundheitsförderung sei die Vernetzung verschiedener Akteure unerlässlich. Dabei müssten jedoch die unterschiedlichen Eigeninteressen berücksichtigt und transparent gemacht werden, um sich auf gemeinsame Ziele fokussieren zu können. Als Lehre aus der Pandemie forderte die Referentin krisensichere Strukturen und niederschwellige Zugänge für Jugendliche. Gesundheitsförderung sollte dabei nicht als zusätzliche Aufgabe verstanden werden, sondern als selbstverständlicher Teil des Alltags in Bildungseinrichtungen. Die anschließende lebhafte Diskussion zeigte das große Interesse der Teilnehmenden an Themen wie Vulnerabilitätsfaktoren, kommunaler Vernetzung und der Weiterentwicklung konstruktiver Dialogformate. Dabei wurde deutlich, dass die Vernetzung verschiedener Akteure und der Aufbau nachhaltiger Strukturen zentrale Erfolgsfaktoren für eine gelingende Gesundheitsförderung darstellen.

Paneldiskussion: Wie kann Prävention und Gesundheitsförderung zielgruppengerecht im Setting Schule implementiert werden?

Die Podiumsdiskussion beleuchtete die Frage “Wie kann Prävention und Gesundheitsförderung zielgruppengerecht im Setting Schule implementiert werden?” aus verschiedenen Perspektiven:

  • Constanze Rosengart schilderte als Schulleiterin der Havel-Grundschule Spandau die täglichen Herausforderungen: Mit Schülern aus diversen Kontexten und einem hohen Anteil studentischer Lehrkräfte sei der Schulalltag enorm komplex. Sie betonte besonders die Bedeutung der Grundschulen für Prävention, da nur hier noch alle gesellschaftlichen Gruppen inklusive Eltern und Nachbarschaft erreicht würden. Kritisch sah sie die fehlende langfristige Unterstützung – kurzzeitige Forschungsprojekte ließen sich kaum mit der schulischen Realität vereinbaren.
  • Beate Proll vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI Hamburg) unterstrich, dass Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe verstanden werden müsse, nicht als einzelnes Unterrichtsfach. Sie verwies auf die Vorteile des Hamburger Sozialindex-Systems für die gezielte Unterstützung von Schulen mit besonderen Bedarfen und betonte, dass gute Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse etwa zehn Jahre benötigten.
  • Dr. Anke Siebeneich vom GKV-Spitzenverband erläuterte die Rolle der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Gesundheitsförderung in Lebenswelten. Der GKV-Leitfaden Prävention biete eine gemeinsame Handlungsgrundlage für bedarfsgerechte Unterstützung.
  • Dr. Timm Genett vom Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. forderte eine Überarbeitung des Präventionsgesetzes und warnte vor einer möglichen Vergrößerung gesundheitlicher Ungleichheiten durch falsch ausgerichtete Präventionsangebote. Er plädierte für eine stärkere Koordination bei der Lebensweltenprävention.
  • Dr. Dominik Röding von der Medizinischen Hochschule Hannover betonte aus wissenschaftlicher Sicht die Bedeutung evidenzbasierter Prävention und bedarfsgerechter Ressourcenallokation.

In der anschließenden Diskussion thematisierte eine Teilnehmerin das “institutionelle Präventionsdilemma”: Oft seien gerade die Einrichtungen mit dem größten Bedarf am schwersten zu erreichen. Eine andere Teilnehmerin mahnte an, dass viele diskutierte Maßnahmen eher Intervention als echte Prävention seien – letztere erfordere zunächst grundlegende strukturelle Verbesserungen. Eine Mitarbeiterin der Robert Bosch Stiftung verwies auf das kommende Schulbarometer, das die Perspektive der 8- bis 17-jährigen Schülerinnen und Schüler zur Versorgungslage abbildet. Gemeinsam betonten alle Panelisten die Notwendigkeit von Vernetzung, Ressourcen und politischer Unterstützung für eine nachhaltige Gesundheitsförderung im Setting Schule.

Praxisnahe Workshops zeigen Wege in die Zukunft

Besonders erfreut sind wir über die Ergebnisse der praxisorientierten Nachmittagssessions, in denen sowohl neue Ansätze als auch bewährte Konzepte vorgestellt sowie zum Austausch angeregt wurde. Margret Rasfeld (Schule im Aufbruch), Tina Schütze-Fulton (MeTAzeit), Silke Weiß (LernKulturZeit Akademie) und Juliane Rau (bewirken) konnten wir erfahrene Expertinnen und Praktikerinnen gewinnen, die mit ihrem reichen Erfahrungsschatz die Teilnehmenden inspirierten und wertvolle Impulse setzten.

Anke Olbrischewski (Kompetenzzentrum Erlebnispädagogik), Peter Sicking (Lions-Quest), Teresa Gehring (Pädagogische Hochschule Freiburg), Beate Proll (LI Hamburg) und Melissa Wörner (Helga Breuninger Stiftung) bereicherten die Veranstaltung mit wertvollen Perspektiven und praktischen Werkzeugen.

Netzwerke stärken, Zukunft gestalten

Der intensive Austausch zwischen den Teilnehmenden bestärkt uns in unserer Arbeit. In den Pausen und Workshops entstanden neue Netzwerke und Kooperationsideen. Die Vielfalt der vertretenen Institutionen – von Schulen, Hochschulen und Universitäten über Krankenkassen und Stiftungen bis hin zu Organisationen, die im Bereich Gesundheitsförderung, Prävention und Bildung tätig sind – spiegelte dabei die Komplexität des Themas wider und zeigte gleichzeitig das große Potenzial intersektoraler Zusammenarbeit.

Zentrale Erkenntnisse und Ausblick

Aus unserer Sicht haben sich vier zentrale Erkenntnisse herauskristallisiert:

  • Gesundheitsförderung als integraler Bestandteil der Schulentwicklung: Nur gesunde Schülerinnen und Schüler können ihr volles Potenzial entfalten. Gesundheitsförderung darf keine Zusatzaufgabe sein, sondern sollte fest im Schulalltag verankert werden. Dafür müssen entsprechende Ressourcen bereitgestellt und die Strukturen so gestaltet werden, dass Gesundheit aktiv gefördert werden kann.
  • Nachhaltige Strukturen durch Zusammenarbeit: Nur durch die enge Vernetzung aller Akteure können langfristige und effektive Strukturen geschaffen werden.
  • Evidenzbasierte und praxistaugliche Konzepte: Ansätze sollten sowohl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren als auch in der Praxis umsetzbar sein.
  • Stärkere Einbindung der Perspektiven von Schülerinnen und Schülern: Ihre Bedürfnisse und Meinungen sind entscheidend, um Lösungen zu entwickeln, die wirklich tragfähig und wirksam sind.

Das rege Interesse am Symposium zeigt: Das Ziel der “guten und gesunden Schule” ist hochaktuell und trotz vielversprechender Initiativen noch nicht erreicht. Dies bestärkt uns, mit Weitblick weiter einen Beitrag zur Entwicklung einer gesundheitsfördernden Schulkultur zu leisten.

Unser Dank gilt den Referentinnen und Referenten sowie den Teilnehmenden für den wertvollen Austausch sowie unseren Partner und dem gesamten Team – Eure Expertise und Euer Engagement haben dieses Symposium erst ermöglicht. Schon jetzt freuen wir uns auf vielfältige und inspirierende Begegnungen bei zukünftigen Veranstaltungen.

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