Deutsches Schulbarometer 2024 – Psychische Belastungen und schulisches Wohlbefinden von Schüler:innen im Fokus
Wie ist die Situation an deutschen Schulen und vor welchen Herausforderungen stehen diese? Seit 2019 führt die Robert Bosch Stiftung jährlich repräsentative Befragungen durch und veröffentlicht diese unter dem Namen “Deutsches Schulbarometer“. Die Ergebnisse für 2024 basieren auf den Antworten von Schüler:innen, Lehrkräften und Eltern, die ihre Wahrnehmungen von Schule, Wohlbefinden und aktuellen Belastungsfaktoren geteilt haben.
Die Ergebnisse zeigen: Obwohl sich die Lebensqualität vieler Schüler:innen seit der Pandemie stabilisiert hat, bleibt sie auf einem besorgniserregend niedrigen Niveau. Psychische Auffälligkeiten sowie Sorgen um globale und persönliche Themen fordern unser aller Aufmerksamkeit heraus. Wie können Schulen auf diese dringenden Bedürfnisse reagieren?
In diesem Blogartikel fassen wir die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammen und betrachten mögliche Lösungsansätze. Für tiefergehende Einblicke laden wir Sie ein, den vollständigen Bericht der Robert Bosch hier einzusehen: Deutsches Schulbarometer
Zentrale Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers 2024
- Psychische Auffälligkeiten bleiben auf hohem Niveau
Etwa 21 % der 8- bis 17-Jährigen zeigen Hinweise auf psychische Auffälligkeiten. Darunter weisen Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (28 %) und Kinder aus finanziell belasteten Haushalten (18 %) überdurchschnittlich hohe Werte auf. Diese Zahlen liegen deutlich über den Werten vor der Pandemie, als der Anteil laut COPSY-Studie bei 17,6 % lag.
- Lebensqualität: Ein Viertel der Schüler:innen empfindet diese als gering
27 % der Befragten bewerten ihre Lebensqualität als gering – überdurchschnittlich oft geben dies Kinder aus einkommensschwachen Familien (37 %) und Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (45 %) an. Trotz Verbesserungen seit der Pandemie stagnieren die Werte auf einem bedenklich hohen Niveau.
- Vielfältige Sorgen und Belastungen belasten Schüler
Viele Schülerinnen und Schüler sind mit verschiedenen Ängsten und Belastungen konfrontiert: 39% machen sich sehr oft Sorgen über globale Kriege, und 26% fühlen sich durch schulische Leistungsanforderungen stark gestresst. Zudem sorgen sich 25% häufig um die Umwelt- und Klimakrise, und 20% sind oft besorgt um ihre eigene Zukunft. Finanzielle Unsicherheit und soziale Ungerechtigkeiten, wie die Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe, verstärken die Belastungen weiter, was die Notwendigkeit betont, unterstützende Maßnahmen in Schulen zu verstärken.
- Geringes schulisches Wohlbefinden bei einem Fünftel der Schüler:innen
20 % der Befragten geben ein geringes schulisches Wohlbefinden an. Besonders betroffen hiervon sind Mädchen, ältere Jugendliche sowie Schüler:innen aus einkommensschwachen Haushalten (30 %). Eine große Rolle spielt die psychische Gesundheit: 58 % der Kinder mit psychischen Auffälligkeiten berichten von einem geringen schulischen Wohlbefinden. - Bewertung der Schule — Gute Beziehungen zu Mitschüler:innen und Lehrkräften sind am wichtigsten
Die aktuelle Befragung verdeutlicht, dass soziale Beziehungen zentral für die Schulerfahrung der Schüler:innen sind, wobei die Bewertungen sowohl positiv als auch kritisch ausfallen. 25% der Befragten schätzen besonders das Treffen mit Freund:innen und Mitschüler:innen, während 17% die Beziehungen zu Lehrkräften positiv hervorheben. Jedoch gibt es auch Kritik, vor allem an bestimmten Lehrkräften und deren Verhalten (17%) sowie am Umgang unter den Schüler:innen (13%). Diese Erkenntnisse betonen, wie essentiell ein positives soziales Klima für das Wohlbefinden der Schüler:innen ist. - Defizite in der Unterrichtsqualität bedürfen dringender Aufmerksamkeit
Die Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers 2024 zeigen deutliche Defizite in der Unterrichtsqualität an deutschen Schulen. Alarmierende 83% der Schülerinnen und Schüler erleben regelmäßig Unterrichtsstörungen. Zudem erhalten 37% der Schüler selten Feedback zu ihren Leistungen, und 28% bekommen kaum Hinweise zur Fehlerkorrektur, was das Lernen erheblich behindert. Zusätzlich berichtet ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler von 3 bis 4 Stunden Unterrichtsausfall pro Woche. Diese Schwierigkeiten betonen die dringende Notwendigkeit, die pädagogische Unterstützung zu verbessern und Lehrkräfte zu schulen, um eine effektivere und individuellere Förderung der Schüler zu gewährleisten. - Fehlende Gesprächszeiten: Klassenleitungsstunden ungenutzt
Über ein Drittel der Schülerinnen und Schüler hat selten die Möglichkeit, in Klassenleitungsstunden schulbezogene Probleme zu besprechen, was die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften behindert. - Unterrichtsausfall betrifft viele Schülerinnen und Schüler
Fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (42%) erlebt jede Woche 1 bis 2 Stunden Unterrichtsausfall, und 22% berichten sogar von 3 bis 4 Stunden. Jedoch gibt es regionale Unterschiede: In Bayern beispielsweise haben 34% der Schüler keinen Unterrichtsausfall. Grundschulen sind generell weniger betroffen, während an weiterführenden Schulen häufiger 3 oder mehr Stunden pro Woche ausfallen. - Suche nach Unterstützung
Die Suche nach therapeutischer Unterstützung wird durch lange Wartezeiten erschwert, was die Dringlichkeit unterstreicht, die Verfügbarkeit psychologischer Dienste zu verbessern. Trotz erkanntem Bedarf suchten 28% dieser Eltern keine Hilfe, weder innerhalb noch außerhalb der Schule. Diejenigen, die schulische Hilfe suchten, wandten sich meist an die Klassenlehrkraft (70%), Schulsozialarbeit (39%) oder Schulpsycholog:innen (31%), doch 23% erhielten keine Unterstützung. Ein Drittel der Erziehungsberechtigten kennt zudem die schulischen Hilfsangebote nicht. - Barrieren in der psychischen Gesundheitsversorgung
Obwohl 70% der Kinder und Jugendlichen wissen, wo sie Hilfe bei emotionalen Problemen finden können, doch zweifelt mehr als ein Viertel (27%) daran, dass sie tatsächlich Unterstützung erhalten. Besonders skeptisch sind Schüler mit psychischen Auffälligkeiten; fast die Hälfte (45%) ist unsicher über die Hilfsbereitschaft ihrer Schule. Weiterhin sind Stigmatisierung und Scham große Hindernisse: 36% der Befragten ist es unangenehm, über emotionale Probleme zu sprechen, und 51% möchten nicht, dass Mitschüler von ihrer Nutzung psychologischer Dienste erfahren. Dennoch besteht ein deutliches Interesse, mehr über emotionale Herausforderungen (21%) und verfügbare Hilfsangebote (18%) zu lernen.
Handlungsempfehlungen aus dem Deutschen Schulbarometer 2024
Die Ergebnisse verdeutlichen dringenden Handlungsbedarf in Schulen, insbesondere in den Bereichen psychische Gesundheit, Unterrichtsqualität und soziale Eingebundenheit.
- Schulisches Wohlbefinden stärken: Vom „Leisten“ zum „Lernen“
Ein hohes schulisches Wohlbefinden ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis erfolgreicher Lernprozesse. Empfehlungen für Schulen:
- Individuelle Förderung und Feedback bieten, um Schüler:innen Mut zu machen und Lernfortschritte zu ermöglichen.
- Ein Growth Mindset fördern, das Schüler:innen dazu ermutigt, Herausforderungen anzunehmen und an ihren Fähigkeiten zu arbeiten.
- Eine Förderkultur etablieren, die das Lernen in den Fokus rückt und Selbstwirksamkeit stärkt.
- Alternative Prüfungsformate und -zeiten einsetzen, um die individuelle Lernentwicklung zu fördern.
- Schulen als Lebensorte: Soziale und gesundheitliche Versorgungsstrukturen ausbauen
Schulen sollten stärker als Orte verstanden werden, an denen soziale und gesundheitliche Unterstützung integriert ist. Dazu gehören:
- Aktive Information über Hilfsangebote, um Schüler:innen und Eltern Zugänge zu erleichtern.
- Abbau von Zugangsbarrieren, damit auch benachteiligte Familien Unterstützung erhalten.
- Förderung der Mental Health Literacy bei Lehrkräften, um frühzeitig Belastungen zu erkennen.
- Etablierung multiprofessioneller Teams mit Schulpsycholog:innen, Sozialarbeiter:innen und Beratungslehrkräften.
- Positives Klassenklima und Gesprächskultur etablieren
Soziale Beziehungen sind essenziell für das Wohlbefinden. Empfehlungen für Schulen:
- Klassenleitungsstunden regelmäßig anbieten, um Raum für Austausch und soziale Unterstützung zu schaffen.
- Ein offenes Gesprächsklima fördern, in dem Schüler:innen ihre Sorgen und Probleme ansprechen können.
- Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schüler:innen stärken, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
- Schule im Sozialraum denken
Jede Schule steht in einem spezifischen sozialen und regionalen Kontext. Strategien sollten:
- Bedarfsorientiert auf die Bedürfnisse der Schulgemeinschaft ausgerichtet sein.
- Sozialräumliche Netzwerke einbeziehen, um innerschulische und außerschulische Ressourcen besser zu nutzen.
Schlussfolgerung: Schulen als Orte der Entwicklung und Gesundheit
Kinder und Jugendliche verbringen einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit in Schulen. Diese Orte müssen nicht nur auf die Zukunft vorbereiten, sondern auch zur Förderung der psychischen Gesundheit und Lebensqualität beitragen. Der Handlungsbedarf ist groß, doch durch gezielte Maßnahmen und strukturelle Veränderungen können Schulen zu sicheren und unterstützenden Lebensräumen werden.
Weitblick – Unterstützung für Schulen
Der Weitblick-Prozess greift diese Empfehlungen gezielt auf. Durch Schüler:innenbefragungen, individuelle Präventionskonzepte und die Begleitung bei der Umsetzung hilft Weitblick Schulen, das Wohlbefinden von Schüler:innen zu verbessern und nachhaltige Veränderungen einzuleiten. Mit wissenschaftlich fundierten Ansätzen bietet Weitblick eine konkrete Unterstützung, um den Herausforderungen des Schulalltags zu begegnen und Schulen als Lebensorte zu stärken.
Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie Weitblick Ihre Schule auf dem Weg zu einer gesunden Schule unterstützen kann? Kontaktieren Sie uns – gemeinsam entwickeln wir eine maßgeschneiderte Strategie für Ihre Schülerinnen und Schüler. Dieser Artikel ist Teil unserer Serie “Gesunde Schulen – Prävention leben, Zukunft gestalten.” Bleiben Sie dran für weitere spannende Einblicke in die Welt der schulischen Gesundheitsförderung.
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